Auf der Solidemo für den selbstverwalteten Kiezladen Friedel54 in Berlin-Neukölln letzten Samstag haben wir einen Redebeitrag gehalten den wir hier dokumentieren:
Liebe Freundinnen und Freunde!
Seit einigen Monaten verfolgten wir das Projekt eines „Social Center 4 All“, eines Sozialen Zentrums, das einen politischen Freiraum mit einer Notschlafunterkunft für Geflüchtete verbindet. Am 10. September besetzten einige AktivistInnen zu diesem Zweck ein seit Jahren leerstehendes Gebäude in der Englischen Straße 20. Zwei Monate später, am 25.11., taten andere es ihnen gleich und nahmen sich für einige Stunden die Alte Post in Neukölln, die ebenfalls seit Ewigkeiten ungenutzt leersteht. Dazwischen gab es Infoveranstaltungen, viele Gespräche mit verschiedenen AkteurInnen und Gruppen Berlins sowie Texte.
Zweimal haben wirs probiert, zweimal haben die Bullen uns geräumt. Sei´s drum. Wir wollen das Haus, wir brauchen es und wir werden weitermachen. Aus zwei Gründen: Einmal denken wir, eine radikale Linke, egal ob anarchistisch oder kommunistisch, braucht Infrastruktur, in der sie ansprechbar ist und in der sie Aufbauprozesse anstoßen kann. Sie braucht Orte, an denen wir soziale Beziehungen wiederherstellen, uns kennenlernen und gemeinsam widerständige Praxis entwickeln können. Diese Orte, soweit es sie überhaupt gibt, werden uns zunehmend genommen. Auch deshalb sind wir heute hier bei euch.
Zum zweiten aber wollten wir auf eine konkrete materielle Notsituation antworten. Dieser Staat bringt derzeit systematisch Geflüchtete in eine prekäre, ja lebensbedrohliche Lage. Er tut es nicht aus Unfähigkeit und nicht aus Ressourcenmangel, sondern zur Abschreckung. Wir haben die beiden Häuser besetzt, weil in dieser Stadt derzeit hunderte Flüchtlinge, Familien, alte Menschen, traumatisierte Jugendliche gezwungen werden, in Parks zu schlafen.
Der Staat und der Senat kommen ihren Aufgaben nicht nach und entlassen diese Menschen in die Obdachlosigkeit. Zugleich gibt es keinen ausreichenden Raum für Initiativen von Helferinnen und Helfern, für soziale Kontakte und für politische Gruppen.
Seit langem beobachten wir, dass in den Kiezen, in denen wir leben, nicht mehr zählt, was wir selber wollen. Mietsteigerungen, Verdrängung, soziale Ausgrenzung betreffen uns permanent, die Stadt wird von denen umgestaltet, die damit Profit machen. Wir haben diese Häuser besetzt, um zu sagen: Für uns selbst und für die Geflüchteten brauchen wir diesen Ort – und wir lassen uns nicht länger das Recht nehmen, die Stadt, in der wir leben, auch selbst zu gestalten.
Bislang konnten wir uns nicht durchsetzen. Das liegt auch an der Krise, in der sich die außerparlamentarische Linke Berlins seit langem befindet. Die Mobilisierungsfähigkeit ist auf einem Tiefstand und wir sagen es offen: Wir waren und sind enttäuscht über den Mangel an Rückhalt für ein Projekt, das wir für so richtig halten. Dennoch: Gerade jetzt werden wir nicht klein beigeben. Wir wollen uns nicht irgendwann im linksliberalen Milieu bei Cafe Latte und Butterbrezel wiederfinden und unsere Tweets und Likes für politische Handlungen halten. Wir wollen nicht „ankommen“ oder uns ins Privatleben zurückziehen. Wir wollen uns nicht einschüchtern lassen, den Mut verlieren, aufgeben. „Und wenn die Augen glänzen, was kann es da noch ausmachen, wenn die Nacht uns erstickt?“ hat Subcommandante Marcos einmal gesagt. Auch in bitteren Zeiten sollten wir dieses Glänzen nicht verlieren.
Friedel bleibt!
Social Center kommt!